Freigeld, Vollgeld, Umlaufgesichertes Geld, Fließendes Geld

Ganz aktuell kommt mir gerade der Aufsatz Das "Vollgeldsystem". Notwendige Reform oder gefährliches Allheilmittel? von Stephan Schulmeister zum Thema rein. Schulmeister verweist auf Irving Fisher und dessen 100% Money und charakterisiert diese Bestrebungen in dem einfach wundervollen Aperçu, man versuche dort Geld und Kredit zu trennen. Treffender kann man es nicht zum Ausdruck bringen. Natürlich kann man Geld und Kredit mit größtem Fleiß ontologisch unterschiedlich definieren - unzüchtigerweise sind sie aber in Verhalten und Eigenschaften völlig gleich. Man macht also strukturell eine Bruchlandung.

In den letzten Jahren sind eine Vielzahl von Freigeldinitiativen an die Öffentlichkeit getreten, die als Ursache unserer heutigen wirtschaftliche Probeme unser Geldsystem sehen - und dann auch gleich die passende Lösung parat haben: Freigeld, Vollgeld, Umlaufgesichertes Geld, Fließendes Geld, wie immer es auch genannt wird.

Im Grundsatz verbirgt sich hinter den verschiedenen Ansätzen immer derselbe Gedanke: Das Geld, das heute "von den Banken kommt", "aus dem Nichts geschöpft wird", "dem Rothschild/Warburg/Fed-Kartell gehört" sei die Ursache unserer Probleme, Geld müsse "vom Staat geschöpft" werden, der Staat müsse es in Umlauf bringen und alles sei gut.

Diese ganze Rhetorik lenkt von der schlichten Tatsache ab, daß Freigeld zum bestehenden Geld gar keine wirkliche Alternative ist. Und daß es insbesondere so etwas wie eine “Geldschöpfung” schlicht nicht gibt. (Daß Fachhoschulen mal wieder anderslautende Märchen verbreiten, ist dazu kein Widerspruch, sondern paßt ins Bild. Allein bei der "Definition" von Geld im verlinkten Vorlesungsskript rollen sich mir die Fußnägel hoch, wenn ich so offen sein darf.)

Wenn wir uns den Wikipedia-Artikel zum Wirtschaftskreislauf ansehen, wird deutlich, daß Geld und Güter in gegenläufigen Kreisläufen laufen.

(Draufklicken für Großdarstellung, Autor: RobbyBer on de.wikipedia)

Es geht also gar nicht um die Fragestellung, was Geld "ist" sondern darum, als was es verwendet wird: Als generisches Tauschmittel, das in der Wirtschaft umläuft, und zwar gegenläuftig zu umlaufenden Waren und Leistungen.

Daran anschließend ergeben sich die Fragen:

  1. Wie ist das Geld gedeckt, wodurch erhält es seinen Wert?
  2. Wie gelangt Geld in Umlauf?
  3. Wie werden Preise gebildet?

Wie ist das Geld gedeckt, wodurch erhält es seinen Wert?

Diese Frage wird durch das Bild vom Wirtschaftskreislauf bereits beantwortet, formaler bringt dies die Quantitätsgleichung zum Ausdruck.

Geldmenge * Umlaufgeschwindigkeit = Preisniveau * Transaktionszahl

Geld entspricht im Wert den umlaufenden Gütern, es kommt im wesentlichen darauf an, daß die umlaufende Geldmenge dem Wert der umlaufenden Güter entspricht.

Ist die umlaufende Geldmenge zu groß, so die landläufige Meinung steigen die Preise, es kommt zur Inflation, ist die Geldmenge zu klein, fallen die Preise, es kommt zur Deflation. Weiter unten im Text werde ich dieser Auffassung die moderne Auffassung entgegenstellen, die sich, soweit ich das sehe, sehr gut auch mit den Darstellungen von Heiner Flassbeck verträgt. Aus dieser landläufigen Meinung entwickelte Milton Friedman unter Rückgriff auf Irving Fishers Quantitätstheorie den Monetarismus. Demnach sei die Geldmenge die entscheidende Determinante einer Volkswirtschaft und es sei die Aufgabe des Staates bzw. der Notenbank, die Geldmenge richtig zu steuern. Diese Auffassung wurde 1974 von der Bundesbank übernommen, siehe auch Wie der Monetarismus nach Deutschland kam.

Wie gelangt Geld in Umlauf?

Dies ist der Punkt, an dem sich die Freigeldansätze vom derzeitigen unterscheiden. Bei Freigeldansätzen wird Geld vom Staat in Umlauf gesetzt. Beim gegenwärtigen Geld wird Geld voh Unternehmen bei Banken (im einfachsten Fall der Zentralbank, normalerweise aber von Geschäftsbanken) geliehen und in Umlauf gesetzt.

Eine Möglichkeit der Implementierung beim Freigeld besteht darin, daß es ein Unternehmen gibt, das die ganze Produktion abdeckt und die produzierten Güter und auch Dienstleistungen anbietet, das kann der Staat sein, ebenso ist dieses Unternehmen auch der einzige Arbeitgeber, der das von ihm ausgegebene Geld über Löhne an seine Mitarbeiter bezahlt. Die Wirtschaft der DDR funktionierte in dieser Weise.

(Tatsächlich hatten wir in Deutschland zwei sozialistische Experimente. Einmal den Nationalen Sozialismus des Arbeitenden Proletariats, dann den Real Existierenden Sozialismus des Vereinigten Proletariats, beide Versuche haben vom Ergbenis her nicht wirklich überzeugt.)

In einer Marktwirtschaft wird Geld von Unternehmen bei Banken geliehen und über die Löhne in Umlauf bebracht. Es fließt über den Konsum zurück an die Unternehmen und von dort zurück an die verleihenden Banken.

Also nochmal als Merkregel:

Freigeld/Vollgeld/Fließendes Geld/Umlaufgesichertes Geld sind im wesentlichen nichts anderes als das, was wir in der DDR schon hatten: Planwirtschaftliche Systeme.

In einer Marktwirtschaft wird das Geld nicht vom Staat sondern von den Unternehmen (sic! nicht von den Banken!) in Umlauf gebracht. Banken dienen dabei als Finanzintermediär: Unterehmen nehmen bei Banken Kredite auf, setzen das so geliehene Geld über Löhne und Gehälter und Zahlungen an Lieferanten in Umlauf und bedienen mit ihren Einnahmen die Kredite.

Der praktisch relevante Unterschied zwischen Plan- und Marktwirtschaft sind die Preisbildung und die Bedarfsplanung in der Produktion. In einer Planwirtschaft wird beides staatlich geplant, in einer Marktwirtschaft bilden sich Preise über Angebot und Nachfrage, ebenso orientieren sich Unternehmen in der Produktionsplanung an der erwarteten Nachfrage.

Wie werden in einer Marktwirtschaft Preise gebildet?

Die Preisbildung in unserem gegenwärtigen Wirtschaftssystem basiert im wesentlichen auf der Gleichgewichtstheorie, ich bin darauf hier näher eingegangen. Insbesondere habe ich dort versucht, auch Grenzen der Gleichgewichtstheorie aufzuzeigen, die ein Eingreifen des Staates nötig machen. Hier verweise ich auf Max Otte, der am 14. April 2015 in der Sendung Pelzig hält sich ausgeführt hat, daß die Soziale Marktwirtschaft die Wirtschaft in einen öffentlichen Bereich aufteilt, in dem der Markt nichts zu suchen hat, und einen privaten Bereich, in dem der Markt seinen Platz findet.

Was gerne verdrängt wird, ist, daß eine Marktwirtschaft, immer in Gefahr steht, in Richtung Inflation oder Deflation abzudriften. Da eine Wirtschaft nur sehr schwer aus einer Deflation herauszuführen, eine leichte Inflation dagegen sehr gut beherrschbar ist, im allerschlimmsten Fall "skaliert" man eine Währung neu, das ist 1960 in Frankreich durch den Umtausch von 100 "alten Franc" in 1 "neuen Franc" geschehen, ist es ein grundlegendes Ziel unserer Wirtschaftspolitik, eine leichte Inflation (von knapp 2%) aufrechtzuerhalten. Dies wird von Freigeldtheoretikern abgelehnt.

Stattdessen wird von Freigeldtheoretikern ein Schwundgeld vorgeschlagen, daß bei Hortung seine Kaufkraft verliert. Auf diese Weise soll eine Hortung des Geldes vermieden und eine ausreichende Umlaufgeschwindigkeit sichergestellt sein.

Tatsächlich bewirkt die im heutigen Wirtschaftssystem angestrebte leichte Inflation von knapp 2% genau dasselbe: Geld verliert durch Hortung an Kaufkraft, weil mit fortschreitender Zeit die Preise für Güter und Leistungen steigen.

Bemerkenswerterweise liefert gerade die Umlaufgeschwindigkeit eine sehr anschauliche Darstellung des Nutzens einer leichten Inflation: Gerät der Geldkreislauf ins Stocken, stockt auch der gegenläufige Güterkreislauf, die Wirtschaft kommt buchstäblich zum "Stillstand".

Die Preisbildung im Freigeld ist aus meiner Sicht nur durch staatliche Bewirtschaftung, durch Planwirtschaft, möglich, da nur durch eine staatlche Planung auch die Bereitstellung der benötigten Geldmenge erfolgen kann.

Für die Einführung neuer Produkte (etwa in den 1980er Jahren die breite Einführung von Datenkommunikationsdienstleistungen) gibt es in einer Planwirtschaft gar kein handhabbares Verfahren. Es verwundert daher auch nicht, daß die DDR bei Besuchen immer etwas den Charme eines Freilichtmuseums hatte, man nehme mir den Vegleich nicht übel, die Wirtschaft ist einfach in den 1950er Jahren stehengeblieben. Ich meine mich daran zu erinnern, daß ich bei einem Besuch in Magdeburg, ich meine in der Wendezeit, in der Auslage eines Fotogeschäfts eine Entwicklungsdose mit Correx-Band gesehen zu haben, das ich bis dahin nur aus recht alten Büchern kannte und das im Westen lange durch durchsichtige Kunststoffspiralen abgelöst war. Ebenso sah ich in der Auslage von Drogerien alles erdenkliche für die Herstellung von Fruchtwein, da konnte man als "Wessi" nur neidisch werden. Die Herstellung von Erdbeerwein, Kirschwein oder natürlich Heidelbeerwein ("jäder nor einen wänzägen Schlock!") war im Westen völlig aus der Mode geraten, man kannte das ganze nur noch aus Büchern oder dem Kino.

Völlig aus den Puschen gehauen hat mich freilich die Auslage eines Flicksatzes für den Schlauch eines Trabi-Reifens in einer Auslage in Wernigerode. Ich habe Autoreifen mit Schlauch nicht mehr bewußt erlebt, das war schlicht vor meiner Zeit.

Es ist aber ein erkennbarer Mangel einer Planwirtschaft, daß sie keinen Spielraum, keine Experimentiermöglichkeiten für neue Produkte bietet. Sicher ist so etwas nicht lebensnotwendig, vieles ist überflüssiger Luxus. Aber der Freiraum des "ich versuche mal etwas" ist arg ausgebremst, wenn alles und jedes erstmal durch die Betonköpfe umd Zementgesäße einer Plankommission durch muß.

In einer Marktwirtschaft erfolgt die Bildung sowohl der Gütermenge als auch der Geldmenge dynamisch, die Gütermenge durch die Produktion, die Geldmenge durch die daran angepaßte Kreditaufnahme der Unternehmen.

Wirtschaftswachstum und Inflation

Wirtschaftswachstum und Inflation klingen zunächst ganz unterschiedlich, hängen aber sehr eng zusammen. Tatsächlich gibt das Wirtschafswachstum die Entwicklung des BIP wieder, das vereinfacht die Summe der Rechnungen für in Deutschland erwirtschaftete Waren und Leistungem darstellt.

Die Inflationsrate, umgangssprachlich auch als Teuerungsrate bezeichnet, beschreibt im Kern etwas ganz ähnliches, nur geht die Messung nicht über alle Waren und Leistungen sondern über einen festgelegten Warenkorb. Als Beispiel sei hier der Warenkorb in Deutschland angegeben.

Es wird deutlich, daß Wachstum und Inflation, vor allem im Sättigungsfall, wo die nicht ständig neue Güter in die Wirtschaft eingeführt werden, praktisch dasselbe beschreiben. Und so sollte es im Idealfall auch sein: Wenn die Wirtschaft im wesentlichen mit allen Bedarfsgütern versorgt werden kann, sollten eigentlich nur Preise und Löhne in gleicher Weise ansteigen. Dann verändert sich die Kaufkraft der Bürger nicht - und die Wirtschaft würde dem gesetzten Inflationsziel folgen.

Es gibt nach der hier dargestellten Auffassung auch keine Grenze für das Wachstum. Löhne und Preise können beliebig steigen, auch wenn es die Gütermenge nicht kann.

Wir haben allerdings ein sehr großes Problem, wenn wir Wirtschaftswachstum erreichen wollen - sich aber die Preise nicht erhöhen dürfen. So haben wir in Deutschland derzeit, 2015, eine Inflationsrate bei 0,9%. Das freut die Schwäbische Hausfrau, vor allem, wenn diese in Berlin wohnt und kein Schwäbisch kann, nur ist damit kein nennenswertes Wirtschaftswachstum möglich.

Vor allem setzen werterhaltende Anlagen voraus, daß Investitionsgüter, die zur "Wertaufbewahrung" genutzt werden, in gleicher Weise im Wert (=mutmaßlicher Verkaufspreis) steigen wie Preise (für Konsumgüter) und Löhne.

Geschieht dies nicht, haben wir die Situation des Anlagenotstandes, in dem Geld nicht mehr werterhaltend "aufbewahrt", also kaufkrafterhaltend investiert werden könnte.

Dies ist jetzt, 2015, die Situation in Deutschland. Und diese Situation leistet allen möglichen Spekulationen und zum Teil hoch unsoliden Geldanlagen massiv Vorschub. Wobei die Versteigerung des "Roten Bildes mit Pferden", das Heinrich Campendonk freilich nie gemalt hat, und das von Wolfgang Beltracchi dem Œvre des genannten ebenso congenial wie posthum hinzugefügt wurde, mit einem Verkaufspreis von 2,9 Mio. € deutlich unterstreicht, für welch einen Schwachsinn Leute im Anlagenotstand ihr Geld rausschmeißen.

Eine weitere, vorhersehbare, Konsequenz des Anlagenotstands ist, daß die Bundesrepublik Deutschland heute problemlos Staatsanleihen mit negativen Zinsen begeben kann, wenn man schon keine Rendite erzielen kann, reicht es, nicht gar zu viel Geld zu verlieren.